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Der Bau des Schifffahrtsweges

Verordnung Karls I. zum Bau des Gliesmaroder Kanals
Verordnung Karls I. zum Bau des Gliesmaroder Kanals.

Der Weg über die Schuntermündung bei Walle und zurück über die Oker in die Stadt wurde nicht verfolgt. Die Schuntermündung war damals sehr seicht und wies kurz vorher zahlreiche Kurven auf. Außerdem hätten die Schiffe und Flöße mehrere Kilometer entgegen der Okerströmung gezogen werden müssen.


Es war daher naheliegend, die Stelle der kürzesten Entfernung der Schunter zur Stadt zu nutzen und von dort den Wasserweg weiter in Richung Stadt zu führen. Erste Versuche mit einem Kanal vom Butterberg zum Dowesee scheiterten, da das Ufer des Dowesees zu morastig war, um Wagen an die Schiffe heranfahren zu können. Die Wegeersparnis war außerdem zu gering. So entstand die Idee, die Mittelriede bis zum Gliesmaroder Turm auszubauen und einen Kanal von dort in Richtung Stadt neu zu bauen.


Nachdem eine Flößung von losen Brennholzstangen von Süpplingen aus bereits erfolgreich war, wurde im Mai 1746 probeweise eine große Flößung gestartet. 6500 Stück Erlenholz warf man bei Campen bei Flechtorf in die Schunter (siehe Übersichtskarte unten) und flößte sie bis zum Dowesee, der damals noch eine Verbindung zur Schunter hatte. Nach dem Erfolg dieser Aktion wurde der Landbaumeister, Martin Peltier de Beaufort, von Herzog Karl mit dem Ausbau des Wasserweges beauftragt.


CARL, Herzog. Demnach wir gnädigst wollen, daß der Obrist-Lieutenant von Blum mit dem Land-baumeister Peltier sich einverstehe, ob und was dieser an seinem unterhänden habenden Canal noch machen könne und bey' bey' dem von der Glacis bis Gliessmarode führenden Canal zu machen wünsche; als wird gnädigster Obrist-Lieutenant hiemit befehligt, mit besagtem Land-bau-Meister desfalls schleunige Abrede zu nehmen und soviel die Witterung nur immer zu lassen will, de concert zu agiren.
Signatum Salzthalum den 16.ten Oct. 1747.


Peltier war französischer Emigrant und ein fleißiger, hochbegabter Baumeister, Ingenieur und Architekt. Er leitete viele Baumaßnahmen des Herzogs, z. B. Umbauten und Innenraumgestaltungen des Residenzschlosses, das Karl 1735 bezog. Außerdem leitete Peltier viele Umbauten, z. B. von Opernhaus, Zeughaus, Collegium Carolinum sowie viele Ingenieursbauten, wie Brücken, Schleusen und Mühlen. Die einzigen noch existierenden Bauten von ihm sind der → Schriftsassenhof und der → Rokoko-Pavillon in Stöckheim. 1749 wurde Peltier aus nicht bekannten Gründen die Projektleitung entzogen und Major Treu übertragen.


Peltier plante den Schiffahrtsweg und veranschlagte 1746 die Kosten inklusive sechs Schiffen für ca. 8.000 Reichstaler. Das Projekt wurde bewilligt und sofort begonnen. Schiffbar ausgebaut wurde zunächst die Schunter von Campen abwärts sowie die Mittelriede, der ehemalige Landwehrgraben als Verbindung zwischen Schunter und Gliesmarode. Die Landwehr wurde 1384 bis 1416 zur Verteidigung und zum Schutz der Viehherden um die Stadt herum errichtet. Sie bestand aus drei oder vier Gräben und Wällen, die mit Sträuchern und Bäumen bepflanzt waren. Im Norden erfüllte die Schunter mit ihren Auen auf natürlichem Wege die Funktion. Hier begann die Landwehr am Butterberg, lief längs der Schunter, bog dann südlich ab und lief etwas westlich parallel zur Mittelriede (Karte). Um 1800 wurden die Befestigungen abgetragen, da die Waffentechnik dieser Verteidigung inzwischen überlegen war.


Übersichtskarte der Schunterschifffahrt
Übersichtskarte der Schunterschifffahrt.

Oker bei Stöckheim, ca. 1765
Oker bei Stöckheim, ca. 1765.

1747 wurden dann die Ausbauarbeiten an der Schunter bis Süpplingen beauftragt. Nachdem den anliegenden Bauern untersagt wurde, Steine für Furten in den Fluss zu legen, bestand schließlich eine schiffbare Verbindung von Gliesmarode bis Frellstedt. Die Länge der ausgebauten Wasserwege betrug circa 50 Kilometer mit einer Höhendifferenz von 50 Metern. Die Gewässerbreite betrug circa 2,90 Meter. Die Mittelriede hatte sogar eine Breite von 13 Metern (heutiger Zustand circa 3 Meter)! Vorhandene, zu niedrige Brücken wurden abgerissen; bei Lehre und in Querum wurden Zugbrücken gebaut, die ein ungehindertes Passieren der Schiffe ermöglichten (siehe Bild rechts einer ähnlichen Zugbrücke über die Oker bei Stöckheim).


Im Juli 1747 wurde dann mit dem Kernstück des Wasserbauprojekts begonnen, dem Gliesmaroder Kanal. Rechtwinklig abknickend von der in Nord-Südrichtung verlaufenden Mittelriede stellte er die Verlängerung des Wasserweges in Richtung der Innenstadt dar und verkürzte so den Landtransport um 1,7 Kilometer. Offensichtlich war die Heerstraße (heutige Berliner Straße) noch nicht ausreichend ausgebaut, so dass der Aufwand für diese doch recht kurze Strecke gerechtfertig war. Der Kanal wurde entlang eines bereits vorhandenen Entwässerungsgrabens erstellt, der den südlich gelegenen Hagenbruch entwässerte (siehe die dort vorhandene Grabenstraße). Zeugnisse dieses einst sumpfigen Gebietes sind die heute noch deutlich wahrnehmbaren Höhenunterschiede, wenn man von der Gliesmaroder Straße in Bindestraße, Wilhelm-Bode-Straße oder Grabenstraße einbiegt.


Detailkarte mit Rekonstruktion der Schifffahrtswege Detailkarte Situation heute
Detailkarte mit Rekonstruktion der Schifffahrtswege.   Situation 2009.

Bereits am 25. November des gleichen Jahres war der Kanal nach nur fünfmonatiger Bauzeit unter Zuhilfenahme von Soldaten fertiggestellt. Die Breite des Kanals war sehr groß und betrug 15 Meter. Er verlief in der Mitte zwischen der heutigen Karlsstraße und dem heutigen Verlauf von Gliesmaroder Straße und Berliner Straße, der ehemaligen Heerstraße. Die Karlstraße wurde vermutlich nach dem Initiator des Gliesmaroder Kanals Herzog Karl I. benannt. Der noch heute vorhandene Knick der Gliesmaroder Straße zwischen Humboldtstraße und Bültenweg entstand dadurch, dass die Heerstraße hier mit einer Zugbrücke den Kanal kreuzte.


An beiden Enden war der Kanal kreisförmig erweitert, um ein Wenden bzw. Abbiegen der langen Schiffe zu ermöglichen. Der westliche Wendekreis befand sich nebem dem Holzhof der Stadt. Hier wurde das Bau- und Brennholz und auch die Steine bis zur Weiterverwendung zwischengelagert. An der Lage dieses Kanalhafens befindet sich heute der Botanische Garten. Als Bodenvertiefung ist diese Stelle heute noch in der Farnschlucht mit dem (künstlichen) Wasserfall zu erkennen.


Der naheliegende Durchstich zur Okerumflut (Entfernung nur ca. 50 Meter) wurde zwar geplant aber nicht vollzogen. Grund war vermutlich das befürchtete "Aussaufen" der Schunter aufgrund des Unterschiedes der Wasserstände. Zahlreiche zusätzliche Schleusen wären notwendig gewesen.


Ein weiterer, kurzer Kanal wurde zwischen der heutigen Schuntersiedlung und Querum errichtet. Er kürzte das oft verlandete Gebiet der Schunteraue vor und hinter der Mittelriedenmündung ab. Dieser Querumer Kanal führte von der Schunter kurz hinter der Querumer Brücke die Wabe kreuzend bis zum alten Landwehrgraben. Kurz vor der Mündung war der Querumer Kanal mit einer Schleuse versehen, die die beeindruckende Größe von 14 bis 17 Meter Länge und 5,5 Meter Breite hatte, so dass bis zu drei Schiffe gleichzeitig geschleust werden konnten. Die Detailkarte oben zeigt diesen Bereich als Rekonstruktion anhand alter Karten und der Analyse der heutigen Topographie.


Verlauf des Querumer Kanals heute (Ottenroder Straße Richtung Nordwest) Verlauf des Querumer Kanals heute (Ottenroder Straße Richtung Südost)
Heutiger Blick Richtung NW entlang des ehemaligen Verlaufs des Querumer Kanals, links die Ottenroder Straße, rechts die 1894 erbaute Bahnlinie nach Gifhorn, im Hintergrund Querumer Häuser aus der Otto-Finsch-Straße.   Gleiche Stelle, Blickrichtung entgegengesetzt. In der Bildmitte muss sich die Schleuse des Querumer Kanals befunden haben.


Der Betrieb der an der Schunter vorhandenen zehn Wassermühlen wurde neu geordnet. Schleusen wurden errichtet, die das Wasser aufstauten, um einen ausreichenden Wasserstand zu erreichen.


Schleuse bei Rüningen
Okerschleuse bei Rüningen; die Schleusen der Schunterschiffahrt dürften ähnlich ausgesehen haben.




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